Steuerberater im Wandel der Zeit

Die geschichtlichen Vorläufer des steuerberatenden Berufs

Wer denkt schon daran, dass in der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ das Stammwort für den römischen „orator“ und den mittelalterlichen „Redner“ steckt. Für den „orator“ der älte-ren Römerzeit steht fest, dass er am Anfang für die Partei vor Gericht das Wort führte und später mit dem Advokaten zu einer Institution verschmolz. Der römische Redner trat auch in Steuerstreitigkeiten auf und kam bis in die Provinzen Germaniens. Waren die Redner am Anfang nur befugt, in Anwesenheit der Partei für diese das Recht zu weisen, so führte Karl der Große (800 n.Chr.) zusätzlich einen Sachwalter ein, der volles Stellvertretungsrecht erlangte. Für diese Person wird der Ausdruck „mandatarius“ oder „advocatus“ benutzt. In der späteren deutschen Rechtsgeschichte gab es dann eine Verschmelzung des Redners mit dem Advokaten, der nun in unzähligen Steuerprozessen als „Steuerbevollmächtigter“ erscheint.

Im Mittelalter wurden Steuern in Form von weltlichen und kirchlichen Naturalabgaben (der Zehnte und der Frondienst) und Geld (vor allem Zölle) erhoben. Von Adel und  Kirche aus-gebeutet und unterdrückt, hatten die Bauern dennoch die Möglichkeit, ihre Beschwerden über zu hohe Lasten vorzutragen. Sie beauftragten aus ihrer Mitte dazu einen, der Redner, Fürsprecher, Wortführer oder Steurer genannt wurde.

Neben dem Redner, der als Organ der Rechtspflege auftrat, erschien der „Schreiber“. Durch seine Schreib- und Lesekunst wurde er zu einem Schriftkundigen und Rechnungsführer, der das öffentliche und private Wirtschaftleben maßgeblich mitgestaltet hat. Mit dem Vordringen des steuerlichen Urkunden- und Aktenwesens, dem Aufkommen von Handelsbüchern und dem Beginn der Buchführung im heutigen Sinne, wuchsen ihm viele Aufgaben zu, die ihn zu einem Fachmann des damaligen Rechnungswesens machten. Diese Tätigkeit ist die Wurzel für die wirtschaftliche Beratungs- und Prüfungstätigkeit unseres heutigen Steuerberaters.

Ab dem 15. Jahrhundert wurde der mittelalterliche „Redner“ mehr und mehr durch Personen abgelöst, die gerichtliche und außergerichtliche Rechtsberatung gewerbsmäßig gegen Entgelt betrieben. Für diese Tätigkeit entstand die Sammelbezeichnung „Anwalt“. Aus dem Schreiberstand kommend, entstand der „Notar“ als nunmehr öffentlich bestellte Urkundsperson. Daneben übten in erheblichem Umfang nichtorganisierte „Konsulenten“ Rechtsberatung aus. Alle diese Gruppen befassten sich mehr oder weniger auch mit dem Steuerrecht, das in städtischen Satzungen, territorialen Landesordnungen und reichsständischen Vereinbarungen geregelt war. Mit dem Reichssteuergesetz von 1495 und der Gründung des Reichskammergerichts in Speyer wurden die Grundlagen für den Berufsstand der Anwälte gelegt, die die Beratung und Vertretung in juristischen Steuerangelegenheiten durchführten.

Aus der Tätigkeit des mittelalterlichen Schreibers entwickelten sich nach dem Mittelalter die Berufe des Buchhalters und Rechenmeisters. Auch als Treuhänder, Handlungssachverständiger o.a. übernahm er  Funktionen, die allmählich zum steuerkundigen Wirtschaftshelfer des 19. Jahrhunderts führen. Dieser nennt sich nun „Bücherrevisor“, da er beratend und prüfend tätig war.

 

Entwicklung zu den beiden freien Hauptberufen Steuerberater und Helfer in Steuersachen

Nach den Übergang zur Industriegesellschaft änderte sich auch das Berufsbild der Anwälte mit Steuerschwerpunkt und der Buchhalter und Revisoren. Die Ausweitung der Steuergesetzgebung zum Ende des letzten Jahrhunderts führte zum betriebswirtschaftlich gebildeten Steuerfachmann. Es entstanden nun sachverständige „Steuerrevisoren“ und „Steuersyndici“. Bei den Juristen arbeiteten einige wenige als „Steueranwalt“ oder „Steuernotar“.

Die Zeit vor und während des 1. Weltkriegs war von der Einführung vieler neuer direkter und indirekter Steuern für die Wirtschaft und die Privatleute geprägt. So stieg die Steuerbelastung ständig an. Der Ausbau der staatlichen Steuerverwaltungen, der mit einer verschärften behördlichen Prüfung sowohl der eingereichten betrieblichen Steuererklärungen und Handelsbücher als auch der privaten Steuererklärungen verbunden war, setzte einen beruflichen Spezialisierungsprozess in Gang. Es entstand der Beruf des „Steuerrevisors“, der hauptsächlich für die Unternehmen tätig war. Für die kleineren Handels- und Handwerksbetriebe waren in dieser Zeit hauptsächlich die Rechtskonsulenten tätig. Sie machten einen Großteil des künftigen Hauptberufs der „Helfer in Steuersachen“ aus. Juristen und Notare hatten an steuerlichen Themen und Fragen des Rechnungswesens wenig bis gar kein Interesse.

Nach Ende des 1. Weltkriegs wurden durch Reichsfinanzminister Matthias Erzberger 1919/1920 die Grundlagen der heutigen Finanzverwaltung geschaffen. Die Steuergesetze wurden in dieser Zeit immer umfangreicher und komplizierter. Um den wachsenden Bedarf an Beratung der Unternehmen und Privatleute in Steuerangelegenheiten kümmerten sich jetzt sowohl Berater mit Studium der Betriebs- und Volkwirtschaftslehre oder Jura als auch Berater mit ausschließlich praktischer Ausbildung. Ein einheitlicher Beruf konnte in der Weimarer Republik aber nicht mehr geschaffen werden.

Noch im Jahr 1933 wurde durch die Nationalsozialisten erstmals der Beruf des Steuerberaters gesetzlich verankert und die Zulassung und Prüfungsordnung zu dem Beruf geregelt. Der Beruf des Steuerberaters, als nun freier Beruf, wurde zur Spitzengruppe der Beraterberufe entwickelt. Da die Zahl der Steuerberater nicht ausreichte, um auch die Klein- und Kleinstbetriebe zu betreuen und deren Buchführungspflichten gegenüber dem Finanzamt zu erfüllen, wurde 1935 der neue Beruf des „Helfers in Steuersachen“ geschaffen.  Gleichzeitig wurden in den nächsten Monaten und Jahren alle jüdischen und politisch unliebsamen Steuerberater und Helfer in Steuersachen ausgeschaltet und deren Existenzen vernichtet. Der Vorgänger der heutigen Steuerberaterkammern wurde im Jahr 1943 als Reichskammer der Steuerberater gegründet. Bis 1945 gab es ständige staatliche Versuche, aus den steuerberatenden Berufen einen verlängerten Arm der Finanzverwaltung zu machen.

 

Der Steuerberater von 1945 bis heute

Nach dem Kriegsende 1945 und der Entnazifizierung des Berufsstandes begann der Neuauf-bau. Mit dem Steuerberatungsgesetz von 1961 wurde ein einheitliches Berufsrecht für die beiden Berufe geschaffen und die Selbstverwaltung der beruflichen Angelegenheiten erlaubt. Die Aufsicht der Finanzbehörden über die Steuerberater wurde abgeschafft. Eine bindende Gebührenordnung wurde 1972 eingeführt. Seit 1972 sind Steuerberater und die Helfer in Steuersachen, die jetzigen Steuerbevollmächtigten, zum gemeinsamen Beruf des Steuerbera-ters zusammengefasst.

Im Zuge der Wiedervereinigung von 1990 musste in der ehemaligen DDR der steuerberatende Beruf wieder neu aufgebaut und gefördert werden. Durch den europäischen Binnenmarkt, die  weiter fortschreitende Globalisierung, eine steigende Gesetzesflut und nicht zuletzt die neuen Informationstechnologien stellen den Berufsstand vor ständige Herausforderungen.. Zum Stichtag 1. Januar 2010 gab es in Deutschland 86.279 Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften. Mitgliederstärkste Steuerberaterkammer ist München mit 10.393 Mitgliedern.
 
Quelle: Illustrierte Geschichte des steuerberatenden Berufes, Mittelsteiner, Pausch, Kumpf, 3. Auflage 1999